Schrott wird flott: 1939 Mercedes Benz 170 V Hot Rod mit V8 Power

Das nackte Grauen oder schlichtweg genial? Mercedes Benz 170 V der besonderen Art: Mercedes-Klassik trifft auf US-Car Kultur

Schrott wird flott: 1939 Mercedes Benz 170 V Hot Rod mit V8 Power: Das nackte Grauen oder schlichtweg genial? Mercedes Benz 170 V der besonderen Art: Mercedes-Klassik trifft auf US-Car Kultur
Erstellt am 27. Oktober 2010

Dieses Gefährt war eines der Hingucker bei den SCHÖNEN STERNEN 2010 und Freunde der reinen Lehre legen besser schon mal ihre Herztropfen parat. Ein augenscheinlich flugs "zusammengebratener" Mercedes 170 V - und dann noch mit nicht originalgetreuem Motor! Da sollte auch dem tolerantesten Mercedes-Fan die Hutschnur hochgehen. Doch weit gefehlt: Hier lesen Sie, warum dieser Mercedes Klassiker auf der Bühne Riesenapplaus einheimste und warum sein Erschaffer letztlich nicht gesteinigt wurde!



Das mit dem "nackten Grauen" hat durchaus seine Berechtigung. Denn Farbe sucht der Betrachter auf dem Blech des 170 V fast vergebens. Und das nicht ohne Grund. Denn dieser Mercedes V präsentiert sich in einem fahrzeugstil, der in Europa nur den wenigsten geläufig ist. Diese vermeintliche "Schrottkarre" ist auf ihre Art und weise nämlich auch Kulturgut und verkehrssicher ist sie übrigens auch!

Der Opa des "Tunings" heißt "Hot Rodding"

Das eigene Fahrzeug zu individualisieren und nach den eigenen Vorstellungen zu verändern, wird heute generell als "Tuning" bezeichnet. Der Opa des Tunings aber hieß "Hot Rodding" und hat seinen Ursprung noch in den 40er Jahren, als junge Amerikaner Spaß am Speed entdeckten, aber die Kriegs- bzw. die Nachkriegssituation noch kine Hobby-Industrie zuließ. Aber dank Fords Massenmotorisierung gab es genügend Autos, die obendrein nicht teuer waren. Erst recht nicht als die Auto-Industrie in den Fünfzigern wieder anzog. Und so wuchteten junge Amis schwere Motoren in leichte Autos und "erfanden" das Hot Rodding. Optik war damals (fast) Nebensache, denn es ging natürlich auch darum, den Neuwagen zu zeigen, was eine Harke ist. Die mit Flammen-Design und Chromfelgen verschönerten Rods & Customs sollten erst viel später folgen.



Ingo Recktenwald aus Dortmund ist ein Fan des ursprünglichen Hot Roddings. Auch er wollte einen Hot Rod bauen, der seinen Vorstellungen entspricht. Er griff allerdings nicht - wie viele andere in diesem Genre - zum amerikanischen Blech, sondern machte sich auf die Suche nach einem Mercedes der passenden Ära.

Rund 70.000 Exemplare des Mercedes 170 V wurden zwischen 1936 bis 1942 in den verschiedenen Karosserievarianten produziert, als zwei – und viertürige Limousine sowie als viertürige Cabrio-Limousine. Die beiden Viertürer wurden auch als „Kraftdroschke“ mit Trennscheibe und Kofferbrücke am Heck geliefert. Dazu gab es zwei- und viertürige offene Tourenwagen, das zweisitzige Cabriolet A und das zweitürige, viersitzige Cabriolet B, sowie die unterschiedlichsten Sonderfahrzeuge für Feuerwehr, Polizei, als Lieferwagen oder mit Pritsche. In seiner Vielfalt fast schon ein "Volks-Wagen" und somit ideal für Ingos Vorhaben.

Schrott wird flott

Die Bilder muss man gesehen haben. Am besten in GROß! Kein Problem - einfach anklicken!



Da der selbstständige KFZ-Technik Meister (www.Autoservice-Recktenwald.de) durchaus auch ein Faible für die Marke mit dem Stern hat, lag es nehe einen alten Benz für das Hot Rod-Projekt zu suchen. „Ich wollte einen Hot Rod bauen, aber es sollte ein Mercedes sein, um zu zeigen, dass sowas genauso gut mit einem deutschen Auto geht“, sagt der Westfale. "Aber keine Sorge, hier wurde nicht etwa ein erhaltenswerter Mercedes-Benz geschlachtet, ganz im Gegenteil!"

In einem Anzeigenblättchen wurde Ingo fündig und nach Besichtigung des in grauenhaftem Zustand in einer Scheune wartenden 170 V, war die Basis geschaffen.

Ingos Rod - ein echter Daimler-Chrysler

Erinnern Sie sich noch? Daimler-Chrysler? Eine Episode, die den Amerikanern mit dem Chrysler 300, Dodge Magnum

und Ddoge Ram richtig gute Autos einbrachte. Auch Ingos Mercedes-Rod ist ein Daimler-Chrysler - irgendwie:

„Es ging darum, unbedingt einen V8 einzubauen, außerdem wollte ich ein Schaltgetriebe“ betont Ingo. Fündig geworden ist er im MoPar Portfolio in Form eines 5,9-Liter-V8, die Getriebe-Entscheidung fiel auf ein A833 Viergang-Schaltgetriebe mit Hurst Shifter. MoPar? Ja, das ist die hauseigene "Tuning-Abteilung" des Chrysler-Konzerns. Hier kommen die heißen Motoren für alle Arten des US-Rennsports her. „Der Wagen ist total übermotorisiert“, freut sich der KFZ-Meister. Und damit steht die olle Kiste aber sowas von voll in der Hot Rod-Tradition....

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„Junkyard Special“ - Einzelteile vom hauseigenen Schrotthaufen

Zuerst wurde der 170 V vollkommen zerlegt und beinahe alles entsorgt. Übrig blieben die Kabine und der Rahmen. Nachdem Ingo den Rahmen vermessen hatte, wurden die vom hauseigenen Schrottplatz stammenden Achsen eingepasst. Vom hauseigenen Schrottplatz? Richtig gelesen, Ingo wurde hinter seiner Werkstatt fündig und verbaute eine Vorderachse vom 1952 Mercedes Benz 170 S mit Einzelradaufhängung, Doppelquerlenkern, Gasdruckdämpfern und einer Scheibenbremse vom 500SL der Baureihe W107. „Die Tieferlegung vorn ist wirklich extrem“, bemerkt Ingo.

Betagte Mercedes Klassiker spendierte Teile

Auch die hintere Achse ist ein Potpourri aus Sindelfingen: bestehend aus einer Eingelenkpendelachse vom 300SEL 6,3l kombiniert mit einer 500SL Scheibenbremse vom W126. Den Bremskraftverstärker entlieh Ingo einem 300 TE W124. Den Kontakt zum Asphalt behält Ingo dank 15 Zoll Stahlfelgen mit Vredestein Kautschuk in den Dimensionen 155/60 R15 Vorne und 255/60 R15 hinten, wahlweise schnallt Ingo auch 275/60 R15 Slicks der Marke Mickey Thompson auf die Hinterachse. Zugegeben: für Freunde des 170 V liest sich das hier merkwürdig!

Nachdem der verstärkte Rahmen wieder bewegt werden konnte, wurden Motor und Getriebe in das Rolling Chassis eingebaut und eine neue Kardanwelle angefertigt. Die ehemaligen Holzinnenträger der Karosserie ersetzte Ingo durch Stahlrohre und nach dem obligatorischen „Channeling“, - hierbei wird die Karosse tiefer über den Rahmen gezogen als ursprünglich vorgesehen - konnte das Häuschen um den Motor herum aufgebaut werden.

Alles richtig gemacht - aber auf der "falschen" Seite...

Da im linken Fußraum wegen dem dicken Getriebe kein Platz mehr für die Pedalerie war, wurde alles auf Rechtsteuerung umgebaut. Viele Extras hatte Ingo in diesem Falle ja nicht zu ändern, besteht das Interieur des Hot Rods lediglich aus dem gecleanten Originalarmaturenbrett, einem eingepassten Tacho von VDO, einem Zusatzinstrument im Handschuhfach, einem 60er Jahre Petri Lenkrad auf der umgebauten W124 Lenksäule und 60er Jahre Bucket Seats. Weder ein Teppich, noch sonstige als Innenausstattung zu erkennende Annehmlichkeiten sind zu finden, denn Ingo braucht „nichts, was den Wagen nicht schneller macht.“

Eigentlich hatte Ingo geplant, den Hot Rod komplett abzuschleifen und den äußeren Auftritt mit „blank mit Klarlack“ zu beschreiben. Beim Erhitzen und Schweißen kamen jedoch sieben bis zehn alten Lackschichten zum Vorschein. Damit stand das aktuelle Design und kurzerhand wurde die Idee vom blanken Rod fallengelassen. Um diesem Look in jeder Faser gerecht zu werden, brachte Ingo dort wo es Sinn machte, dicke Schweißnähte auf und versiegelte manche Stellen mit mattem Klarlack. „Stellenweise soll er aber noch weiterrosten“, betont Ingo.

Der Hot Rod Benz war der Star bei den Schönen Sternen

„Ich wollte einen Rod haben, den es so noch nicht gab. Er sollte einen möglichst großen V8 Motor haben, die Technik sollte einfach und die Elektrik spartanisch sein, er sollte sehr laut sein und richtig grob zur Sache gehen“, erklärt Ingo. Ich wollte keine Glanzkarre! Letztendlich ist er genauso geworden, wie ich mir das vorgestellt habe.“ Und dennoch oder gerade deshalb war der 170 V ein absoluter Star bei den Schönen Sternen in Hattigen letzten September. Und ausgerechnet ein älterer Mercedes-Fan mit einem bordeauxroten 170 V fand Ingos Mercedes-Rod "doll"!

Und? Was macht Ihre Herzfrequenz?



Text & Fotos: Joel Weyers

Übrigens: Kennen Sie den schon?

Mercedes 170 S Rod

Mercedes-Fans Facts

Mercedes Benz 170 V Hot Rod



Baujahr: 1939

Motor: 360ci V8 5,9l

Getriebe: A833 Viergang Schaltgetriebe

Fahrwerk: Vorne Einzelradaufhängung vom Mercedes Benz 170 V Bj. 1952 mit Doppelquerlenker, Gasdruckstoßdämpfer, Tieferlegung; hinten Einlenkpendelachse vom 300SEL 6.3l

Bremsen: Vorne Scheibenbremsen vom W107, hinten Scheibenbremsen vom W126, Bremskraftverstärker vom W124

Räder: Vorne Stahlfelgen in 5x15 Zoll mit Vredestein Sprinst Classic in 155/60 R15 ; hinten 5x15 Zoll mit 255/60R15 hinten, wahlweise Alufelgen in 7x15 Zoll mit 275/60 R15

Karosserie: gechannelt, 7-10 alte Lackschichten, dicke Schweißnähte aufgesetzt, teilweise mit mattem Klarlack versiegelt, teilweise „soll er noch weiter rosten“

Innenraum: 60er Jahre Petri Lenkrad, VDO Tacho, Zusatzinstrument im Handschuhfach, Bucket Seats

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