Chinesische Automarken: Wachstum in Europa

Autohaus: Auch Mercedes-Händler nehmen China-Automarken in den Showroom

Chinesische Automarken: Wachstum in Europa: Autohaus: Auch Mercedes-Händler nehmen China-Automarken in den Showroom
Erstellt am 19. Oktober 2023

Neue Automarken aus China finden bei deutschen Markenhändlern viel Zuspruch.‭ ‬Das liegt nicht zuletzt daran,‭ ‬dass Hersteller wie VW oder Mercedes-Benz sich bei ihnen ziemlich unbeliebt gemacht haben.

Es ist der dritte Anlauf.‭ ‬Nachdem in der Vergangenheit bereits zwei Versuche chinesischer Autobauer gescheitert sind,‭ ‬auf dem europäischen Markt ein Rad auf die Straße zu bekommen,‭ ‬scheint es jetzt zu klappen.‭ ‬Das hat mehrere Gründe.‭ ‬Zum einen stimmen anders als früher nun auch Design,‭ ‬Verarbeitung und Fahrzeugsicherheit.‭ ‬Zudem ist der Automarkt mitten in einem radikalen Wechsel weg vom Verbrenner hin zur Elektromobilität‭ – ‬und da sind die Hersteller aus Fernost technisch wie logistisch deutlich besser aufgestellt als die deutschen Autofirmen.‭ ‬Aber ein weiterer Faktor ist inzwischen dazu gekommen:‭ ‬Die ihrer Marke einst so loyalen Händler sind von Volkswagen,‭ ‬Mercedes‭ & ‬Co.‭ ‬in den vergangenen Monaten so verärgert worden,‭ ‬dass sie ihre Verkaufsräume mehr und mehr auch der chinesischen Konkurrenz öffnen.

Das Zerwürfnis zwischen Autoherstellern und selbst langjährigen Autohändlern ist tief.‭ ‬Die deutschen Markenhändler von Mercedes beispielsweise machten ihrem Ärger über die Luxusstrategie und Preispolitik der Stuttgarter im Sommer mit einem geharnischten Wutbrief ihres Verbandes Luft.‭ ‬Die Preise seien zu hoch,‭ ‬die Qualität zu niedrig.‭ ‬Reihenweise seien die Neuwagenkunden auf dem Absprung zur Konkurrenz.‭ ‬Der Konzern sei‭ "‬von Gier‭" ‬getrieben.‭ ‬Eskaliert wird die Wut der bislang frei agierenden Händler noch dadurch,‭ ‬dass Mercedes sie zu Agenturen und bloßen Weisungsempfängern degradieren wolle.

Bei anderen deutschen Markenhändlern ist die Stimmung nicht besser.‭ ‬Auch VW und BMW streichen ihre Händlernetze zusammen.‭ ‬VW etwa hatte‭ ‬2015‭ ‬noch rund‭ ‬1.250‭ ‬Handelsbetriebe in Deutschland.‭ ‬Anfang des Jahres waren es noch‭ ‬740,‭ ‬mit dem Auslaufen der Zeitverträge wird seit März weiter ausgesiebt.‭ ‬Die Hersteller wollen selbst mehr Kontrolle,‭ ‬eigene Kontakte zu und Informationen über die Kunden‭ – ‬das,‭ ‬was das Pfund ausmachte,‭ ‬mit dem die Händler vor Ort ihre Geschäfte machen.‭ ‬Zudem verärgert auch bei VW eine forsche Preispolitik die Händler.‭ ‬Ziel sei die Verdoppelung des Überschusses von derzeit‭ ‬3,6‭ ‬auf‭ ‬6,5‭ ‬Prozent,‭ ‬heißt es im Konzern.‭ ‬Das manager magazin zitiert einen anonymen VW-Händler:‭ "‬Der Hersteller hat jeglichen Bezug zur Realität verloren.‭"

Den chinesischen Herstellern kommt das wie gerufen‭ – ‬sie bauen ihre Händlernetze rasant auf den bestehenden Strukturen aus oder finden ganz neue Vertriebswege.‭ ‬Insgesamt rechnen die Automobilexperten der TU Chemnitz‭ ‬2023‭ ‬mit dem Import von etwa‭ ‬600.000‭ ‬Autos aus China nach Europa.‭ ‬2025‭ ‬seien bereits‭ ‬1,1‭ ‬Millionen zu erwarten.‭ ‬Der weit überwiegende Teil davon:‭ ‬batterieelektrische Fahrzeuge.‭ ‬2025‭ ‬könnte dann jeder vierte Stromer aus China kommen.

BYD

Nicht nur,‭ ‬aber vor allem BYD‭ (‬Build Your Dreams‭) ‬stößt in diese Lücke des Unmuts vor‭ ‬-‭ ‬etwa indem man bei den neuen Händlern großzügig Geld für Um-‭ ‬und Ausbau zuschießt.‭ ‬In China hat BYD bereits VW vom Thron der meistverkauften Automarke gestürzt.‭ ‬Auch in Deutschland setzen die Chinesen auf Expansion:‭ ‬2026‭ ‬will BYD allein in der Bundesrepublik‭ ‬126.000‭ ‬Neuwagen verkaufen,‭ ‬mehr als doppelt so viele wie Tesla heute nach acht Jahren im Markt.

Nicht ohne Stolz listet BYD bereits sieben große Autohandelsguppen auf,‭ ‬unter deren Dach man künftig vertreten sein wird und die bereits alle Regionen Deutschlands abdecken sollen:‭ ‬Sternauto,‭ ‬Sternpartner,‭ ‬Riess,‭ ‬Torpedo,‭ ‬Senger,‭ ‬Reisacher,‭ ‬Glinicke.

Sternauto ist eine der größten Automobilhandelsgruppen Deutschlands,‭ ‬vertreten in sechs Bundesländern an‭ ‬23‭ ‬Standorten im Raum Berlin,‭ ‬Dresden,‭ ‬Leipzig,‭ ‬Magdeburg,‭ ‬Rostock,‭ ‬Schwerin,‭ ‬Erfurt und Potsdam.‭ ‬Neben vor allem Mercedes bietet Sternauto auch Grenadier und nun eben BYD an.‭ ‬Sternpartner ist der größte Mercedes-Benz Vertreter in Norddeutschland mit‭ ‬18‭ ‬Standorten zwischen Hamburg,‭ ‬Bremen und Hannover.‭ ‬In zehn Standorten quer durch Baden-Württemberg verkauft Riess neben Mercedes und BYD unter anderem Geländewagen von Grenadier.‭ ‬Neben Mercedes und nun BYD finden sich auch Land Rover und Hyundai im Portfolio der Torpedo-Gruppe,‭ ‬die auf‭ ‬21‭ ‬Standorte in Rheinland-Pfalz und Ostdeutschland kommt.‭ ‬Die Senger Gruppe ist mit‭ ‬50‭ ‬Betrieben an‭ ‬39‭ ‬Standorten vertreten und verkauft die Fahrzeuge von elf Marken von Mercedes über VW bis BYD und Seat.‭ ‬Reisacher handelt an sechs Standorten zwischen Ulm und Landsberg traditionell mit BMW und Mini und hat nun auch BYD im Portfolio.‭ ‬Die Glinicke-Gruppe hat an‭ ‬14‭ ‬Standorten von Bielefeld bis Weimar‭ ‬16‭ ‬Automarken vom VW bis Fiat in den Verkaufsräumen‭ – ‬darunter mit MG und BYD zwei chinesische Marken.

Ora

Neben BYD drängt Ora auf den deutschen Markt,‭ ‬importiert von der Schweizer Emil Frey-Gruppe,‭ ‬die nicht nur ihre Händler dafür nutzen will.‭ ‬Frey selbst bietet bundesweit an‭ ‬74‭ ‬Standorten fast alle Automarken an von Aston Martin und Bentley über BMW,‭ ‬Citroën,‭ ‬Fiat und Ford bis zu Nissan,‭ ‬Mazda,‭ ‬Mitsubishi,‭ ‬Opel,‭ ‬Peugeot oder Subaru,‭ ‬Volvo und Volkswagen.‭ ‬Die Elektroauto-Marke des Konzerns Great Wall Motor aus dem chinesischen Baoding ist seit Januar‭ ‬2023‭ ‬in Deutschland und hat aktuell‭ ‬161‭ ‬Händlerstandorte bundesweit‭ – ‬alles Mehrmarkenhändler.

Wey

Bei der zweiten chinesischen Automarke von Great Wall Motor‭ (‬GWM‭)‬,‭ ‬die nach Deutschland kommt,‭ ‬tritt GWM selbst als Importeur auf.‭ ‬Zum Start gibt es die beiden SUV COFFEE‭ ‬01‭ ‬und COFFEE‭ ‬02.‭ ‬Der COFFEE‭ ‬01‭ ‬kostet ab rund‭ ‬56.000‭ ‬Euro und wird von einem Plug-In-Hybriden angetrieben.‭ ‬Während Ora über ein klassisches Händlernetz verkauft wird,‭ ‬setzt Great Wall bei Wey auf ein Agentursystem und den Verkauf per App,‭ ‬Emil Frey fungiert als Agent.‭ ‬Insgesamt plant GWM für Wey‭ ‬60‭ ‬Standorte in Deutschland.

MG

Auch MG bietet seine SUV bereits über ein deutschlandweites Netz von gut‭ ‬130‭ ‬etablierten Mehrmarkenhändlern an,‭ ‬darunter so renommierte Häuser wie der Mercedes-Händler und Tuner Lorinser im schwäbischen Waiblingen.‭ ‬Unter der einst britischen Traditionsmarke MG bietet die chinesische SAIC Motor Corporation aktuell fünf elektrifizierte SUV an.‭ ‬MG setzt wie Wey beim Handel auf ein Agentursystem:‭ ‬Die Fahrzeuge im Schauraum und Ausstellungsbereich des Händlers bleiben Eigentum von MG.‭ ‬Auch die Vorführwagen werden von MG zentral gesteuert und sind auf den Hersteller zugelassen.‭ ‬Der Händler berät den Kunden,‭ ‬vereinbart die Probefahrt,‭ ‬nimmt gegebenenfalls ein Altfahrzeug in Zahlung und lässt das neue Auto zu.‭ ‬Dafür bekommt er von MG eine Provision.‭ ‬Das Konzept scheint zu funktionieren:‭ ‬Im vergangenen Jahr setzte MG in Deutschland‭ ‬15.684‭ ‬ab.

 Lynk‭ & ‬Co

Wie Volvo gehört Lynk‭ & ‬Co zum chinesischen Geely-Konzern.‭ ‬Für‭ ‬46.000‭ ‬Euro kann man den SUV zwar auch kaufen.‭ ‬Angeboten wird der Lynk‭ & ‬Co‭ ‬01,‭ ‬als Plug-In aber vor allem zur Miete über eine monatlich kündbare Club-Mitgliedschaft.‭ ‬Für einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von aktuell‭ ‬600‭ ‬Euro gibt es das Fahrzeug selbst,‭ ‬dazu Versicherung,‭ ‬Wartung und Winterreifen.‭ ‬Tanken und Waschen gehen extra.‭ ‬Vier schicke Clubs mit Abholmöglichkeit gibt es in Berlin,‭ ‬Hamburg,‭ ‬München und Düsseldorf,‭ ‬sogenannte Meetingpoints zusätzlich in Frankfurt,‭ ‬Stuttgart und Köln.‭ ‬Für den Service sind‭ ‬66‭ ‬Werkstätten bundesweit zuständig,‭ ‬allesamt in lokalen Autohäusern.

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